Wenn Kinder und Jugendliche in der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Wohngruppen leben, dann werden die Versorgung, Erziehung und Begleitung im Alltag auf bestimmte Zeit von Erwachsenen übernommen, die für die jungen Menschen zunächst Fremde sind. Sich auf diese fremden Menschen einzulassen, ihnen zu vertrauen und ihnen zuzutrauen, dass sie sich gut um die Bedürfnisse jedes einzelnen kümmern, ist für junge Menschen in Wohngruppen nachvollziehbarerweise oftmals nicht leicht.
Die Mitarbeitenden in Wohngruppen orientieren sich in ihrem Handeln am Wohlergehen der ihnen anvertrauten jungen Menschen, genau wie an ihren individuellen Ressourcen und Bedarfen. Neben der individuellen Förderung und dem Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren stehen dabei auch immer ihre Rechte, die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben sind, im Fokus.
Aus dem Zusammenleben mit zwei oder mehr Generationen, dem Elternsein oder auch dem eigenen Kindsein wissen wir aus eigener Erfahrung: Junge Menschen sind nicht immer mit den Entscheidungen der für sie sorgenden Erwachsenen einverstanden. Das ist in Familien, in Schulen und Kindergärten und auch in Wohngruppen so.
Manche Entscheidungen und Haltungen von Erwachsenen sind für Kinder und Jugendliche nicht nachvollziehbar oder vielleicht auch gar nicht transparent. Zu verstehen, welche Rolle die eigenen Eltern, die Mitarbeitenden der Einrichtung und das Jugendamt im Rahmen einer sogenannten „Hilfe zur Erziehung“ hat, ist mitunter ganz schön kompliziert. Wer dann bei welchen Themen mitreden und entscheiden darf, umso mehr.
Manchmal finden junge Menschen erwachsene Bezugspersonen auch richtig doof und möchten sich beschweren, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Wenn Kinder und Jugendliche sich der Beziehung und dem verhaltensunabhängigen Wohlwollen der Erwachsenen sich nicht sicher sind, sind sie mit Beschwerden lieber vorsichtig. Hinzu kommt: Einzelne Mitarbeitende haben immer ein ganzes Team hinter sich. Allein gegen Gruppen- oder Einrichtungsregeln zu argumentieren, die Erwachsene gemeinsam festgelegt haben, kann aussichtslos wirken. Es könnte also sein, dass junge Menschen sich nicht trauen, ihre Meinung frei zu äußern. Vielleicht tun sie es auch deshalb nicht, weil sie annehmen, dass sie nicht gehört wird. Weil in den Wohngruppen mehrere Mitarbeitende im Schichtdienst arbeiten, ist nicht immer die oder der Mitarbeitende vor Ort, dem ein junger Mensch sich mit seinen Sorgen, seinem Ärger oder seiner Beschwerde anvertrauen würde.
Und in manchen Situationen kommt es vor, dass der Schutzgedanke von Erwachsenen dazu führt, dass Kinderrechte eingeschränkt werden. Mitarbeitende in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen haben neben den Kinderrechten und den Vereinbarungen mit Jugendämtern sowie den Eltern der jungen Menschen auch noch eine ganze Reihe anderer Vorschriften, an denen sie sich orientieren müssen. Handlungs- und Entscheidungsspielräume scheinen dadurch manchmal enger als sie sind.
Auch wenn die Konflikte zwischen den Generationen uns allen gut bekannt sind, so gibt es in der Kinder- und Jugendhilfe durch die besonderen Rahmenbedingungen auch einen besonderen Handlungsbedarf: Fachleute, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und auch Politiker haben erkannt, dass es für die oben geschilderten Situationen besonders wichtig ist, die Stimme und die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Wohngruppen zu stärken. Denn sie sind abhängig von den Entscheidungen der Mitarbeitenden vor Ort. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendhilfe mit mehr Macht ausgestattet sind, als die jungen Menschen selbst.
Um ihnen jederzeit eine unabhängige Ansprechperson zur Verfügung zu stellen und um die bestehende strukturellen Machtunterschiede auszugleichen, gibt es in der KEW gGmbH eine sogenannte Ombudsperson. Der Begriff kommt aus dem skandinavischen und bedeutet so viel wie „Vertrauensperson“.
Zu den Aufgaben einer Ombudsperson gehört die Information der jungen Menschen über ihre Rechte, deren Beratung und Unterstützung bei der Klärung von Konflikten und erlebten Ungerechtigkeiten. Ziel ist es, die jungen Menschen in die Lage zu versetzen, die ihnen zustehenden Rechte zu nutzen. Das Besondere dabei ist, dass eine Ombudsperson absolut unabhängig ist, also keinen Anweisungen bspw. einer Einrichtungsleitung unterliegt. Auch vertritt eine Ombudsperson konsequent die Sichtweise und die Interessen der jungen Menschen. Alle Anliegen der Kinder werden vertraulich behandelt- mit ihnen gemeinsam wird entschieden, welche anderen Personen für eine Klärung eingebunden werden sollten.
Um für die jungen Menschen präsent und erreichbar zu sein, besucht Frau Anja Koch als aktuelle Ombudsperson der KEW gGmbH regelmäßig die verschiedenen Wohngruppen der Einrichtungen und ist auch darüber hinaus für aktuelle und individuelle Anliegen der Kinder und Jugendlichen erreichbar. Eine eigens für die Kontaktaufnahme mit der Ombudsperson eingerichtete Mailadresse, ausgehängte Plakate in den Wohngruppen sowie eine Telefonnummer sollen Erreichbarkeit sicherstellen und auch ermöglichen, dass, die jungen Menschen selbstständig und bei Wunsch auch ohne Wissen der Mitarbeitenden Kontakt aufnehmen können.
Die Ombudspersonen in den Einrichtungen sind ein wichtiger Mosaikstein im Rahmen des aktiven Kinderschutzes.
Denn das brauchen Kinder in der Kinder- und Jugendhilfe: einen in mehrfacher Hinsicht „sicheren Ort“, um sich gut zu entwickeln!!