Im Falle noch junger Kinder scheint die Aufnahme in eine Einrichtung der stationären Jugendhilfe keine Alternative zu sein. Zu fragil und personengebunden die vorhandenen Bindungserlebnisse, zu intensiv der Bindungsbedarf. Der Blick gilt in der Regel dann eher familienanalogen Angeboten – zum Beispiel Pflegefamilien.
Doch die Erfahrung zeigt, dass diese mit bestimmten Verhaltensmustern von Kindern oft überfordert sind. Konsequenz: das Kind durchläuft in der Folge mehrere Stationen, bis es nach diversen Beziehungsabbrüchen und mit hinreichendem Alter schließlich doch in einer stationären Wohngruppe aufgenommen wird. Und auf dem Weg dorthin macht es genau die Erfahrungen, die es in Anbetracht seiner Bindungsbedürfnisse nicht machen sollte.
Um Entwicklungen wie diese vermeiden zu helfen, haben wir ein pädagogisches Gesamtkonzept mit bindungssensibler Ausrichtung erarbeitet, das sich speziell für junge Kinder eignet. Es sieht einerseits Formen des Zusammenlebens in Wohngruppen vor, zum anderen setzt es auf die aktive Beteiligung der maßgeblichen emotionalen Bezugspersonen der Kinder im Alltag der Wohngruppe: auf die Beteiligung der Eltern oder anderer emotionaler Bezugspersonen. Sie bleiben in der Verantwortung für ihr Kind, lernen im Rahmen einer „Erziehungspartnerschaft“ mit den Pädagoginnen und Pädagogen aber darüber hinaus, diese Verantwortung auch zuverlässig zu übernehmen und sinnvoll auszuüben. Eine „aktivierende Elternarbeit“ in diesem Sinne ist ein konstitutiver Baustein des Gesamtprogramms. Wir nutzen dazu die Systemische Interaktionstherapie und -beratung (SIT).
Zentrale Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Angebots ist in jedem Fall eine emotionale Bindung zwischen Eltern und Kind. Zugleich ist diese Bindung eine zentrale pädagogische Herausforderung. Denn einerseits ist das vorrangige Ziel die Rückkehr der Kinder in ihre angestammte Familie. Daran arbeiten wir intensiv mit den Eltern. Sollte diese Option sich aber als unrealistisch erweisen, gelten unsere Bemühungen einer behutsamen Herauslösung der Kinder aus den vorhandenen familiären Bindungen, so dass der Weg frei werden kann für neue Perspektiven – zum Beispiel in einem familienanalogen Setting. Im Idealfall akzeptieren dann auch die Eltern diese Lösung als beste für ihr Kind.